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„Eine moderne Jeanne d`Arc“ – so ging es mir durch den Kopf als ich Greta Thunberg sah, wie sie Anfang März 2020 an der Seite von Ursula von der Leyen den Saal der EU-Kommission betrat. Dürr fast schon ausgemergelt – oder ist das einfach nur der Körper eines aufschießenden Teenagers? – aber auch irgendwie verbissen, ernst, von einem unzerstörbaren Glauben an ihre Mission durchdrungen: die Vision einer „heilen“ Welt.
Jeanne d`Arc war zu Lebzeiten für die eine Seite die Retterin und für die andere bloß eine Mörderin. In der Literatur war sie entweder ein irres, verrücktes Mädchen (Voltaire) oder eine heilige Gotteskriegerin (Schiller). Genauso ist heute auch Greta Thunberg für die Einen eine Klima-Terroristin und für Andere eine Heldin im Kampf gegen die Zerstörung der Welt.
Zwei junge Mädchen, die für etwas einstehen, einen Glauben haben, einen visionären Antrieb, die damit an die Öffentlichkeit gehen, die „laut“ werden, eine ganze Bewegung anführen und deshalb zur Projektionsfläche werden, auf der gleichermaßen Hass und Liebe ihren Platz finden.
Was machen Hass, (Größen-)Wahn, Glaube, Fanatismus, Idealismus, Wut, Vision mit einem jugendlichen Körper? Wie schreibt sich das hinein? Welchen physischen Ausdruck finden die eigenen Worte und Gedanken im Körper einer jungen Frau? Wie verändert sich ihre Gestalt im Laufe ihres Wirkens, im Laufe ihres Kampfes?
Ich möchte Greta Thunbergs Weg von einem jungen Schulmädchen hin zu einer in der Öffentlichkeit stehenden jungen Frau physisch nachverfolgen. Den rasanten Werdegang von einer alleine agierenden Protestierenden hin zu der Anführerin einer weltweiten Bewegung. Ihre Reden zeigen in der Chronologie betrachtet eine enorme Entwicklung in Redefähigkeit, Ausdrucksfähigkeit, Physis, Selbstverständnis und Auftreten. Ihre Körperlichkeit zeigt einen sehr starken Gegensatz zum Gehalt und zur Emotionalität ihrer Reden und sind gerade deshalb unglaublich berührend und aufwühlend.
Vorgehensweise meiner Recherche: Ich recherchiere und betrachte das öffentliche Auftreten und die Reden Greta Thunbergs in chronologischer Weise. Ich lasse Worte und Ausdruck der Reden auf mich wirken und bringe das in Bewegung. Ich bringe Inhalt und Emotion einzelner Reden auf eine für mich tanzbare Essenz.
Die Figur der Jeanne d`Arc und die Bilder die Schiller von dieser Frau entwirft, gehen ebenfalls in die Recherche mit ein, sie dienen als Vergleich und Gegenüberstellung. In Schillers poetischer Sprache und kraftvollen Beschreibungen dieser theatralen Figur suche ich nach Ähnlichkeiten und Unterschieden in der Entwicklung dieser jungen Frauen. Eine Suche nach der Universalität im Werdegang einer Heldin. Eine Annäherung an die Stationen einer Heldin.
Dabei stelle ich die Frage nach dem was Heldentum bedeutet und wie unsere Gesellschaft damit umgeht. Kann und darf es in Deutschland Held*innen geben? Ist die Gesellschaft wieder bereit dafür? Gibt es einen alten evtl. typisch deutschen Mechanismus im Umgang mit neuen Held*innen? Ertragen wir sie nur als Darstellung in überhöhten Comics und Comicverfilmungen?
Eine Weiterentwicklung der Recherche könnte die Auseinandersetzung mit Abbildungen (projizierte Fotografien, Gemälde, Zeichnungen) von Heldinnen sein. Dabei würde ich methodisch ebenfalls den physischen Ansatz wählen. Die Verkörperung** von lebensgroßen Heldinnen-Figuren dient mir als Annäherung an ein weibliches Heldentum, quasi als Selbst-Versuch und im Umgang mit der Frage: Wäre ich bereit eine Heldin zu werden?
** Die Wechselwirkung zwischen Körper(-haltung) und Psyche, zwischen innerer und äußerer Haltung (=Embodiment), ist Grundvoraussetzung für das Spiel: die Körper-Haltung kopieren, die Haltung „nach innen nehmen“ und dann in „Bewegung“ bringen, sie sprechen und gehen lassen, sich den Figuren spielend annähern.
Presse:
Zur PresseseiteEZ, 04.02.2021 – Frauen kämpfen anders
SZ, 04.12.2020 – Stationen einer Heldin