Donnerstag 4. Februar 2016
19:00 Uhr
Freitag 5. Februar 2016
19:00 Uhr
Samstag 6. Februar 2016
19:00 Uhr
Schwere Reiter, Dachauer Straße 114, 80636 München
Die MUSICOPHILIA Vorstellungen im Schweren Reiter München werden von einem wissenschaftlichen Vorprogramm begleitet, in Kooperation mit dem Max-Plack-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig, und der Berlin School of Mind and Brain statt. An allen Vorstellungsabenden ergänzen Vorträge aus dem klinischen Alltag zum Thema Musik und Neurologie die Veranstaltungen.
„Hier spricht die Musik!“ Dr. Daniela Sammler, Donnerstag, 04.02.2016
Was haben eine süße Mozartsonate und eine flammende Präsidentschaftsrede gemeinsam? Augenscheinlich recht wenig – neuronal jedoch ungemein viel. Für unser Gehirn sind die Grenzen zwischen Musik und Sprache, zwischen Singen und Sprechen ausgesprochen fließend. Ein biologisch ausgeklügeltes System an Hirnregionen, Synapsen und Transmittern lässt uns gleichermaßen Sprache und Musik erfahren und verstehen. Zufall? Wohl kaum. Musik und Sprache sind die wahrscheinlich einzigen Eigenschaften, die den Menschen von anderen Spezies unterscheidet. Worin besteht also der „missing link“? Die Neurowissenschaften der letzten 20 Jahre hat begonnen, gezielt den Gemeinsamkeiten von Musik und Sprache als universell menschliche Fähigkeiten nachzugehen, über Synergieeffekte in Pädagogik und Rehabilitation zu diskutieren. Die Neuropsychologin Daniela Sammler lädt Sie ein zu einer musikalischen Reise durch das Gehirn auf einem Weg von Biologie zu Klängen, Worten und Poesie.
Als Neuropsychologin und Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig erforscht Dr. Daniela Sammler die Funktionsmechanismen des Gehirns an den Schnittstellen zwischen Musik und Sprache. Satzmelodie, Songs und Harmonie gehören ebenso zu ihrem Arbeitsfeld wie die Einflüsse musikalischer Höchstform bei Profimusikern oder Hirnschädigung bei Schlaganfallpatienten auf deren motorisch-kognitive Leistungen. Forschungsaufenthalte am Hôpital de la Pitié-Salpêtrière in Paris, der Université Nord-de-France in Lille, der University of Glasgow sowie der University of Western Sydney führten zu zahlreichen Publikationen in international anerkannten Fachzeitschriften, die ihr umfangreiches Repertoire auf dem Gebiet der Musik- und Sprachkognition dokumentieren. Ihre Dissertation zur vergleichenden Neuroanatomie der Musik- und Sprachverarbeitung bei Patienten mit Hirnläsion oder pharmakoresistenter Epilepsie wurde 2009 mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft für herausragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet.
„Der positive Einfluss von Musik auf den Menschen“ Dr. Thomas Fritz, Freitag, 05.02.2016
Positiver Einfluss von Musik ist oft beiläufig. Musik macht das Erleben von Zeit angenehmer, langweilige Tätigkeiten kurzweiliger. Neben einer Reihe von anderen faszinierenden Effekten auf den Menschen, kann Musik auch Kraftanstrengung beim Sport wesentlich reduzieren und dem Gehirn nach einem Schlaganfall bei der Rehabilitation helfen. In diesem Vortrag erfahren Sie, welche positive Wirkung Musik auf den Menschen haben kann, wie man selbst davon profitieren kann und über welche Hirnmechanismen dies funktioniert.
Dr. Thomas Fritz hat Biologie und Kunst studiert. Nach Diplomarbeit und Promotion am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig ist er dort seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter und leitet die Forschungsgruppe “Musik und Gehirnplastizität”. Seine Forschung umfasst neben der Neurologie auch ethnologische Experimente zu Universalien von Musikwahrnehmung, sowie neuartige Musiktechnologien zum Erleben musikalischer Euphorie.
„Musik und Gehirn“ Prof. Dr. Arno Villringer, Samstag, 06.02.2016
Warum gibt es Musik ? Hat sie irgendeinen Nutzen für uns Menschen, gibt es irgendeinen Grund dafür, dass sich Musik im Laufe der Evolution als Charakteristikum menschlichen Verhaltens durchgesetzt hat ? Gibt es einen Aspekt der Musik, der sich als „nützlich“ erwiesen hat, oder ist Musik nur ein sogenanntes „Epiphänomen“, also eine Art Begleiterscheinung von etwas anderem, das für den Menschen in der Evolution nützlich“ war, z.B. die Sprache ? Es gibt keine allgemein akzeptierten Antworten auf diese Fragen. Wohl aber wissen wir, dass Musik ein universelles Phänomen ist, das in allen Kulturen der Welt eine große Rolle spielt. Musik kommt in fast allen Ritualen auf der ganzen Welt vor und – wie wir alle wissen – kann starke Emotionen auslösen. Wir wissen auch, dass die Wahrnehmung von Musik mit bestimmten Hirnstrukturen eng verbunden ist und dass deswegen Störungen der Hirnfunktion mit einer Veränderung des Musikerlebens einhergehen können. Ich habe vor einigen Jahren eine 40 jährige Managerin betreut, die durch einen Hirntumor plötzlich eine begeisterte Malerin wurde. Oliver Sacks beschreibt in seinem Buch Musicophilia Menschen, die nach einer Schädigung des Gehirns plötzlich zu extremen Musikliebhabern werden. Eine wahrscheinliche Interpretation dieser Befunde ist, dass eine musische Veranlagung möglicherweise in jedem von uns schlummert, aber durch Schaltkreise normalerweise quasi unterdrückt werden, jedoch bei Störung dieser Schaltkreise ‘freigesetzt‘ werden können. Künstler wären in dieser Sichtweise also Menschen, die es schaffen, diese Veranlagungen spontan freizulegen bzw. zu verwirklichen.
Prof. Arno Villringer studierte Medizin in Freiburg. Nach einem einjährigen Aufenthalt an der Harvard Universität war er von 1986 bis 1993 als Assistenzarzt am Klinikum Großhadern der Universität München tätig. Von 1996 bis 2003 war er Leitender Oberarzt und Stellvertretender Klinikdirektor an der Neurologischen Klinik der Charité, von 2004 bis 2007 Klinikdirektor am Campus Benjamin Franklin der Charité. Seit 2007 ist er Direktor am MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften sowie Klinikdirektor der Klinik für Kognitive Neurologie am Uniklinikum Leipzig. Prof. Villringer leitet seit 1999 das bundesweite Kompetenznetz Schlaganfall und hat 2006 im Rahmen der Exzellenzinitiative die Berlin School of Mind and Brain gegründet, deren Sprecher er seither ist.
Presse:
Zur PresseseiteSZ, 09.02.2016 – Expeditionen im fremde Klangwelten