Gilgamesch


Gastspiele in:
1998, 1997, 1995, 1994, 2003 - BRD


Eine Projektbeschreibung von Axel Tangerding

Ellen Stewart, die legendäre Gründerin des La Mama Theaters in New York, hat 1994 das Gilgamesch Projekt in Augsburg angeregt, das für mich genauso ein Wagnis werden sollte wie für die theaterbegeisterten Assyrer vom Mesopotamien Verein Augsburg. Im Rahmen meiner Meta Theater Arbeit hatte ich bereits an kulturübergreifenden Projekten gearbeitet, aber direkt konfrontiert zu sein mit den Assyrern, die in Augsburg eine neue Heimat gefunden hatten, war doch etwas anderes. Da ich mich einem ursprünglichen Theater verpflichtet fühle, war ich von Anfang an von der Natürlichkeit, Leidenschaft und Spontaneität der Darsteller begeistert.

Aber wie sollten wir es gemeinsam wagen, uns diesem gewaltigen, nur fragmentarisch erhaltenen Stoff zu nähern? Wie sollten wir je ein Theaterstück aus diesem Gilgamesch Stoff erschaffen? Ich begriff diese Pionierarbeit als   Herausforderung. Doch wo sollten wir geschichtlich beginnen und wie sollten wir praktisch mit der Arbeit anfangen? Ich erinnerte mich aus den ersten Begegnungen in Augsburg, daß die Assyrer mir begeistert von ihrer Tradition des Geschichten Erzählens in ihrer Heimat berichteten. Das war der Start: im Kreis sitzend begannen wir zu erzählen, was jeder wußte, auf assyrisch oder deutsch. Im Laufe der Zeit wurden die Erzählungen immer genauer, farbiger und phantasievoller. Ein anderer wichtiger Aspekt der Arbeit war die Erprobung der körperlichen Ausdrucksmittel. Alle nahmen die Herausforderung an, in verschiedenen Improvisationen Phantasie und persönliche Kreativität zu entwickeln.

Das war nicht immer leicht, denn müde vom Arbeitsalltag kamen sie abends zu Probe. Doch dann geschah etwas seltsames: durch Körpertraining und Konzentration auf die Gilgamesch Geschichte wurde ihre Aufmerksamkeit geweckt, die wiederum die Erinnerungen auslöste auf das, was ihnen schon so fern schien: die Gerüche ihrer Heimat, die Früchte und Pflanzen, das Leben mit den Tieren, die Landschaft, die Dorfgemeinschaft, die Kleidung, die Speisen, die Spiele der Kinder, die Gesänge, die Nächte unterm Sternenhimmel…

All diese Erinnerungen sind in das Gilgamesch Projekt eingeflossen und haben es zu dem gemacht, was es heute ist: ein phantastisch dramatisierte Spurensuche mit bizarren Klängen, Stimmen von Ungeheuern, einem tobenden Himmelsstier, ein Theater der Bilder und der Sinne.

Gilgamesch, ein gelungenes interkulturelles Experiment, wird nach der fulminanten Premiere im Juli 93 in Rahmen von La Piazza in Augsburg bis heute aufgeführt. Einladungen führten uns mit diesem Stück quer durch Deutschland. Begeisterte Presseberichte und ein jubelndes Publikum haben das Gilgamesch Projekt bis heute lebendig gehalten und bundesweit bekannt gemacht.

Aus diesem Erfolg heraus haben die Assyrer und ich Mut geschöpft, Anfang dieses Jahres eine weiteres Abenteuer zu beginnen: das Theaterprojekt Babylon erforscht den mesopotamischen Schöpfungsmythos.

Szenenfolge

  1. Das Dorf
    Die Dorfbewohner spielen, singen, erzählen und verwandelns sich in das Volk von Uruk
  2. Gilgamesch, König von Uruk
    Die Götter erschufen Gilgamesch, König von Uruk. Zu zwei Teilen Gott, zu einem Teil Mensch. Er befiehlt, eine gewaltige Mauer um die Stadt Uruk zu bauen.
  3. Die Klage des Volkes
    Das Volk arbeitet Tag und Nacht, jahraus, jahrein. Es erregt sich über Gilgamesch Willkür. Die Götter erhören die Klage des Volkes.
  4. Enkidu bei den Tieren
    Die Götter erschaffen ein Wesen, das Gilgamesch ebenbürtig ist. Enkidu, der Wildmensch, lebt, friedlich mit den Tieren.
  5. Enkidu und das Tempelmädchen
    Gilgamesch erfährt von Enkidu und schickt ein Tempelmädchen zu ihm. 6 Tage und 7 Nächte verbringt Enkidu mit ihr. Dann führt sie ihn nach Uruk.
  6. Kampf zwischen Gilgamesch und Enkidu
    Wie von den Göttern vorhergesehen, messen sich die beiden Helden. Der Kampf bleibt unentschieden. Gilgamesch schließt Freundschaft mit Enkidu.
  7. Sieg über Chumbaba
    „Einen Namen der dauert, will ich mir machen!“ Gilgamesch begibt sich mit Enkidu zum fernen Zedernwald, der von Chumbaba, einem Ungeheuer, bewacht wird. Die beiden töten ihn, nachdem sie die heilige Zeder gefällt haben.
  8. Ischtar und der Himmelsstier
    Nach der Rückkehr nach Uruk bietet die Göttin Ischtar Gigamesch die Ehe an. Er lehnt in beleidigender Weise ab. Gedemütigt bittet Ischtar ihren Vater Anu um den Himmelsstier, damit dieser Gilgamesch und die Stadt vernichte. Der Himmelsstier stürzt auf Uruk. Enkidu gelingt es, ihn am Schwanz zu fassen, und Gilgamesch schlägt ihm den Kopf ab.
  9. Enkidus Tod
    Enkidu träumt, er sei von den Göttern verurteilt worden. Am nächsten Tag wird er krank, nach 12 Tagen stirbt er. 6 Tage und 7 Nächte beweint Gilgamesch seinen Freund und hofft, ihn durch Klagen ins Leben zurückzurufen. Nach der Beerdigung verläßt er die Stat Uruk.
  10. Gilgameschs Suche nach Unsterblichkeit
    „Werde nicht auch ich sterben wie Enkidu?“ Um dem Schicksal der Menschen zu entgehen, beschließt er, Utnapischtim zu suchen, der der Sintflut entronnen ist und unsterblich wurde. – Am Berg Maschu findet er das Tor, durch das die Sonne jeden Tag hindurchgeht. Nach 12 Stunden Finsternis gelangt er ans Ende der Welt. – Die Schenkwirtin Siduri will Gilgamesch von seinem Vorhaben abbringen und schickt ihn zurück, damit er sich am Leben erfreue. Als Gilgamesch beharrt, verweist sie ihn an Urschanabi, den Fährmann. Mit ihm überquert Gilgamesch die Wasser des Todes, um zum anderen Ufer zu gelangen, an dem Utnapischtim lebt.
  11. Bei Utnapischtim
    Utnapitschtim erzählt von der Sintflut und vom Beschluß der Götter, ihn und seine Gattin unsterblich zu machen. „Götter und Menschen haben verschiedenes Los. Wie willst du das Leben finden, welches du suchst?“ Seine Rede nimmt einen unerwarteten Lauf: „Versuche doch, 6 Tage und 7 Nächte nicht zu schlafen!“ Gilgamesch schläft unverzüglich ein. Er will aufgeben, doch im letzten Moment offenbart ihm Utnapischtim auf Drängen seiner Gemahlin, den Ort der Pflanze, die ewige Jugend verleiht. Gilgamesch findet sie am Grunde des Meeres und tritt die Heimreise an. Als er an einer Quelle badet, verschlingt eine Schlange das Kraut.
  12. Zurück in Uruk
    Gilgamesch erkennt, daß seine Suche vergeblich war. Zurück in Uruk führt er Urschanabi auf die Mauer der Stadt „Sieh, wie fest gegründet, die Mauer von Uruk“.

Presse:

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Heroische Erkenntnisse, SZ, 28.06.2003